Walter Oscar Grob

Malen in kosmischer Strahlung

Walter Oscar Grob: Signet 'Freien Kunstschule Zürich (FKZ)'
Walter Oscar Grob: Foto von ca. 1957
Walter Oscar Grob: Buchcover 'Simone Martini, Verkündigung, 1333'
Simone Martini, Verkündigung, 1333

Vergleich mit anderen Verkündigungsbildern und "Durchschauende Kunstuntersuchung" des wunderbaren Werks

Verfasser

Walter Oscar Grob

Erscheinungsjahr

1970

Anzahl Seiten

103

Preis

CHF 78

Status

verfügbar

bestellbar bei

Verein Walter Oscar Grob

E I N F Ü H R U N G   (Walter Oscar Grob, 1970)

"Sei gegrüsst, voll der Gnade, der Herr ist mit Dir! " Mit diesen Worten spricht der Engel Maria an und verkündet ihr dann, dass der Heilige Geist über sie kommen und die Kraft des Höchsten sie überschatten werde. So wird durch die überirdische Erscheinung des Engels die Geburt des Kindes angekündigt, dessen Lebensgeschichte wir alle kennen. Ausser Buddha Shakyamuni hat wohl kein anderes Wesen auf der Erde ganze Völker über eine grössere Zeit einzig durch seine Grundsätze und sein Vorbild geistig befruchten und lenken können. Damit wird das Geschehnis der Verkündigung und Empfängnis Marias zum eigentlichen Beginn dieser Geistesepoche. Wir spüren in diesem Geschehnis neben seiner Erhabenheit und Bedeutung eine Subtilität, welche die Künstler empfunden haben mochten, die das hohe Thema bildhaft zu verwirklichen wagten. Ein Zittern fährt durch unsere Seele, als ob auch wir vom Heiligen Geist noch ein wenig betroffen würden, als ob auch vor uns plötzlich, ohne dass wir es ahnten, ein Wesen aus der Ewigkeit in Erscheinung träte. So stellt das Thema dem schaffenden Künstler eine eminent hohe Forderung. Umgekehrt aber suchten die Besten auch diese hohe Forderung, suchten sie auch das fast Unmögliche möglich zu machen, so wie ein Bergsteiger auf höchste Gipfel zu gehen wagt. Hier, in dieser geistigen Gratbesteigung, zeigt es sich, ob einer Meister ist, ob er allen Schwierigkeiten zum Trotz das Werk vollenden kann. Dies aber ist auch eine Situation, in welcher der Künstler spürt, wie wenig er ohne Gottes Hilfe vollbringen kann. Auf einer solchen Gratwanderung kommt er unweigerlich in Not. Vielleicht ahnt er sie schon von Anfang an und weiss, dass er sich an Gott wenden muss, dass er versuchen muss, sich ganz seiner Führung zu unterstellen. Oeffnet er sich aber der Strahlungskraft Gottes, dringt Gottes Geisteslicht in ihn ein und durch ihn hindurch, so zieht der Strom der Entwicklung, der aus der Ewigkeit kommt, durch ihn hindurch. Dieser ' Sog der Entwicklung', wie Teilhard de Chardin so wunderbar bezeichnete, hebt auch den Künstler vorwärts und lässt ihn bisher Niegeschaffenes verwirklichen. Das wahrhaft Schöpferische durchflutet sein Werk. Damit wird auch sein Bild zu einer Verkündigung neuer Möglichkeiten. Der Künstler erlebt in sich selbst das Ueberschattet-werden vom Heiligen Geist und das Schwangersein, bis dann endlich das Bild geboren, gestaltet wird und damit in die Welt hinaustritt. Er wird dadurch ganz eins mit dem Thema. Jeden einzelnen Vorgang des ganzen gewaltigen Geschehnisses durchlebt er in eigener Weise und vermag so, aus innerstem Erleben, das Bild zu schaffen. Daher sind solche Werke ganz wahr und strömen eine Glaubenskraft von ganz besonderer Tiefe und Weite aus. Dies alles gilt natürlich nicht für jene Maler, welche sich nicht der Führung des Heiligen Geistes unterstellen, sondern versuchen, nur aus ihrer Vorstellungskraft heraus ihr Werk zu verwirklichen, oder gar ein erhabenes einfach nachzumalen. Da aber der schöpferische Künstler an die allgemeine, wie auch an seine eigene geschichtliche Entwicklung gebunden ist - der eine mehr, der andere weniger - so ist das Neue immer nur etwas Relatives. Damit gibt es für ein Bild keine absoluten Grenzen, wo es Nachahmung und wo es schöpferisch ist. Es gibt nur Werke, die typisch das eine oder andere sind. Um dies zu erfassen, müssten zwei Studienwege begangen und miteinander verglichen werden: Der eine ist der Untersuch des Werkes an und für sich, der andere das Studium der geschichtlichen Zusammenhänge, also der Vergleich mit den anderen Werken, sowie mit der allgemeinen Geschichte. Beide Studienwege durchdringen sich gegenseitig, so dass auf einem allein nicht eine Lösung erreicht werden kann.

Meine Kenntnisse und Erfahrungen liegen nicht im Historischen, sondern im Künstlerischen. Es ist mir daher nicht möglich, eine fundierte Ansicht der Beziehungen von Simones Werk zu allen anderen in ihrem geschichtlichen Verhältnis zu geben. Im ersten Teil der vorliegenden Schrift möchte ich dem Leser, um diese wenigstens anzudeuten, auf eine Auswahl von Verkündigungsbildern hinweisen. Damit vermag sich der Leser einigermassen zu orientieren, wo Simones Werk in der Kunstentwicklung etwa steht. Die von mir gewählte Reihenfolge ist chronologisch nur ungefähr richtig, denn ich habe mir aus sachlichen Erwähnungen erlaubt, einige Umstellungen vorzunehmen.

Im zweiten Teil lege ich die mit meiner Methode der 'Durchschauenden Kunstuntersuchung' ausgeführten Analysen und Synthese von Simones Verkündigung dar. Damit hoffe ich, zu einem tiefgreifenden Erfassen dieses wunderbaren Gemäldes und einem besseren Verständnis der Bildsprache im allgemeinen zu führen.